Der Ortschronist Arnd Matthes aus Waditz hat für uns die faszinierende Geschichte des Landguts „Zur Wilhelmine“ sorgfältig aufgearbeitet und niedergeschrieben. Dank seiner umfassenden Recherchen und Expertise konnten wir die reiche Historie dieses denkmalgeschützten Anwesens in all ihren Details bewahren und für unsere Gäste erlebbar machen.

Das privilegierte Handelshaus
Umgebindehaus – Schanzenweg 5

Haus- und Grundstück

Fast 250 Jahre lässt sich die wechselvolle Geschichte des Hausgrundstückes zurückverfolgen. Einiges liegt noch im Dunkeln der Archive. Nachfolgendes ist bereits bekannt…

Ein Umgebindehaus mit Scheunengebäude muss Ende des 18. Jahrhunderts bereits bestanden haben, denn die Initialen des Johann Gottlob Bär mit der Jahreszahl 1779 sind im Scheunengebäude bis heute erhalten geblieben.

Historische Dokumente berichten, dass im April 1805 der damalige Besitzer Gottlob Bär beim Bautzener Bürger Johann Traugott Benjamin Müller einen Kredit von 100 Talern gegen 5% alljährliche Verzinsung aufnahm. Vielleicht mussten für diese aufgewendeten Mittel dringende Bautätigkeiten ausgeführt werden. Wir wissen es nicht.

1817 vergrößerte Bär sein Grundstück und kaufte als „Erbuntertan und Häusler“ genannt, „ein Stück wüsten Grund und Boden oder Lehde, von dem sogenannten Halben Gute, am Rand des Birkenbusches gelegen“, von der Rittergutsherrschaft. Verkäuferin war die edle Frau Ernestine Luise vermählte Oberforstmeister von Polenz, geborene von Ziegler und Klipphausen, mit Genehmigung Ihres „ehelichen Kurators Carl Wilhelm Heinrich von Polenz auf Linz und Ponickau, Königlich Preußischer Oberforstmeister“.

1819 verstarb plötzlich Gottlob Bär und hinterließ seine Ehefrau Johanne Christiane sowie drei Söhne Christian Friedrich, Johann Traugott, Johann August und die Tochter Johanne Christiane. Durch eine Bürgschaft des „Wohllöblichen Weisenamtes zu Budissin“ kam es trotz hoher Verbindlichkeiten, die auf dem Grundstück lasteten, nicht zur Versteigerung.

Welche Flurstücke bzw. Hausgrundstücke in der nachfolgenden Zeit zusammengelegt wurden lässt sich nicht genau bestimmen, denn mit der ersten Vermessung von Flurkarten begann man in der Regel erst in den 1830er Jahren.

Damals trug das heutige Wohngrundstück Schanzenweg 5, die Hausnummer 4 von Obercunewalde, denn Straßennamen gab es noch nicht. Am 2. Januar 1821 verkaufte Johann Gottlob Bär seine „Häuslernahrung“ und das „ebenfalls zur Wohnung eingerichtete Nebengebäude“, also der heute südlich gelagerte Scheunenteil, an seinen Neffen Carl Traugott Bär für 200 Taler. Wie etwa 70 % der Einwohner von Obercunewalde wurde auch er ein tüchtiger Leinenweber und verdiente seinen Unterhalt auch als Angestellter im nahe gelegenen Rittergutshof. Erst mit dem Gesetz über „Ablösungen und Gemeinheitsteilungen“, also der Abschaffung der Leibeigenschaft in Sachsen, war es ab 1832 möglich geworden frei die Zukunft zu gestalten.

Bereits 1838 realisierte er nachweislich ein größerer Umbau des Hauses. Dabei wurde die Dachform von Sattel auf Krüppelwalm geändert und erhielt danach eine neue Dacheindeckung mit Biberschwanzziegel. Mit diesem Umbau wurde wohl auch das neue Türgewände mit den Initialen 1838 C.T.B.“ eingebaut. So kam es, dass Carl Traugott Bär bereits 1843 im Gerichtshandelsbuch von Cunewalde als „Weber und Handelsmann“ bezeichnet wird. Acht Jahre später im November 1851 erhält Bär für sein Grundstück durch die Gutsherrschaft derer von Polenz die „Concession“, also das Privileg zur Betreibung eines „Dorfkramhandel“.

1870 kaufte die Immobilie Marie Elisabeth Bär, geborene Kriegel für 1200 Reichsmark. Bereits im darauffolgenden Jahr wurde Carl Friedrich August Bär für den Preis von 1000 RM neuer Besitzer.

Schließlich wird am 14. April 1888 Carl Gotthelf Mutscher für den stolzen Preis von 5000 Reichsmark Besitzer. Neben dem Kramhandel müssen auch Webwaren im Grundstück hergestellt worden sein, denn im „Adressbuch aller Länder der Erde der Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbtreibenden, Gutsbesitzer etc.“, welches 1893 herausgegeben wurde, finden sich unter Obercunewalde die „Weber: Mutscher Carl Gottlieb und Mutscher Carl Gotthelf“.

Um 1900 trägt das Haus in einer kurzen Erwähnung durch unseren Heimatdichter Wilhelm v. Polenz (1861-1903), die Bezeichnung „Mutschersche Großgartennahrung“.

In den nächsten Jahren kam es zu nachfolgenden Eigentümerwechseln:

  • 1900 Eigentümerwechsel infolge Erbe von Wilhelmine Louise Auguste verwitwete Mutscher, geborene Kremtz
  • 1921 Eigentümerwechsel durch Erbe von Ernst Hermann Mutscher
  • 1961 Kauf Immobilie von Anne Hildegard Blöthner, geb. Neitsch
  • 2013 Eigentümerwechsel durch Erbe von Erik und Martin Nguyen Thanh
  • 2015 Kauf Immobilie von Jose Manuel Ladron de Guevara Perez
  • 2020 Kauf Immobilie von Antje & Frank Tischler

Umgebindehaus & Nebengebäude

Auf Granit – den Baustoff, welcher für unsere Region so typisch ist, trifft man überall. Ihm verdanken wir Oberlausitzer auch den Spitznamen “Granitschädel“, denn so werden wir oft im Volksmund bezeichnet.

Das 1838 errichtete, aufwändig gearbeitete, granitene Türgewände wird von einem Korbbogensturz mit erhabenem Schlussstein bekrönt. Die links und rechts der Eingangstür im granitenen Fenstergewände eingefassten schmiedeeisernen Gitter weisen auf den besonderen Schutz wertvoller Handelswaren hin. Das überwiegend mit klassizistischen Formen und Details geprägte Umgebindehaus zeigt an den Umgebindeständer noch Formen des Spätbarock mit balusterartigen Profilierungen.

Die Verschieferung an der westlichen Giebelseite des Hauses zeigt das handwerkliche Können und die Tradition der damaligen Zeit. Bemerkenswert ist die Umsetzung der massiven Erdgeschosswand am Westgiebel, welche eigentlich eine Umgebindekonstruktion sein sollte. Um Bauschäden an der Holzkonstruktion vorzubeugen, entschied man sich beim Bau der Wetterseite von vornherein auf eine massive Ausführung mit Granitsteinen.

Eingewölbte Räume waren brandsicher und entsprachen der städtischen, modernen Bauweise. Der Eingangs- und Flurbereich im Erdgeschoss beeindruckt besonders durch die unterschiedlichen Gewölbedecken und den Granitfußboden.

Beim Bau des Wohnhauses, ein sogenanntes Doppelstuben Umgebindehaus, wurde das Dach wie in der Oberlausitz üblich mit Stroh eingedeckt. Die zur Aufnahme der sogenannten Strohschauben, benötigten Halbholzstangen werden dazu an den Sparren mit Holznägel befestigt. Die dazu benötigten Löcher für die Holznägel, welche im Abstand von ca. 40 cm hergestellt wurden, kann man auch bei diesem Haus an den Sparren erkennen.

Die außergewöhnlich komfortablen Raumhöhen von über 2,35 m, welche sich über alle Geschoßebenen des Umgebindehauses erstrecken, sind auf die spezielle Nutzung als Handelshaus zurückzuführen. Es waren einst wohlhabende Eigentümer, welche dieses Haus bewohnt haben. Auch die zwei Blockstuben in einem Haus weisen darauf hin.

Zum Hof gehört eine historische Fachwerkscheune mit verschiedenen Nutzungsbereichen. Im Obergeschoss, welches über einen Laubengang erreichbar ist, war einst eine „Ausgedingewohnung“ untergebracht. Die anderen Bereiche dienten als Stall, Arbeitsplatz und Lager.